Schliessen Sie doch bitte Ihre Augen und gehen Sie in Ihr Bilder-Gedächtnis. Geben Sie das Stichwort «Höhlenbewohner» ein. Okay? Sehen Sie auch Menschen, die in der Höhle um ein Feuer kauern, während die Kinder auf Fellen schlafen? Hm, das Bild ist ziemlich falsch, sagt die moderne Archäologie. Unsere Vorfahren lebten nämlich nur ausnahmsweise in Höhlen; eindeutig bevorzugt haben sie provisorische Siedlungen im Freien. Die ersten Behausungen der Menschen seien Höhlen gewesen, das war im 19. Jahrhundert DIE Erkenntnis, auch wenn sie heute als weitgehend überholt gilt.
In den ältesten Texten des Abendlands, beim Erzähler Homer (Odyssee) bis zum Philosophen Platon (Höhlengleichnis), spielt die Höhle eine wichtige Rolle. Bei Platon ist die Höhle der Ort, wo die Menschen hausen, ohne zu ahnen, dass es ein Draussen gibt. Für ihn bedeutet das Verlassen der Höhle den entscheidenden Schritt, die Realität zu erkennen.
Meine letzten Höhlenbesuche fanden im Oktober 2022 im Kunstmuseum Olten statt. Dort zeigte man die Ausstellung Liquid Territories der Künstlerin Monica Ursina Jäger. Natürlich ist das Oltner Museum keine Höhle, aber sehr dunkel war es schon in den Räumen mit den Videos der Künstlerin Jäger.
Sie sehen einen Ausschnitt aus ihrem Werk, in das ich mich via Handyaufnahmen selber eingebracht habe. Aus der idyllischen Anfangsszene mit den Wassertropfen im satten Grün entwickeln sich Wasserströme – für mich sind es Informationsströme, denen ich ausgesetzt bin, derer ich mich kaum erwehren kann.
Meine praktische Philosophie ist der Versuch, mit dieser Herausforderung souverän umzugehen, mich ihr zu stellen – zum Beispiel mit diesem Ausschnitt. Die Kunst von Frau Jäger hat mich zur Frage nach meinem Informationsverhalten geführt und von da aus zum Entscheid, meinen Medienkonsum noch weiter zu reduzieren. Immerhin ein Anfang zum Ausstieg aus der Höhle, nicht? Und ein Abschied von den Höhlenbewohnern.
Liquid Territories
Ausstellung im Kunstmuseum Olten
Oktober 2022
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